21. April 2021 – Eva Fleer

Drei Ideen, um einem Kind Betreuungswechsel und Trennungen zu erleichtern

Der Übergang von einer Betreuungssituation zu einer anderen (z.B. von Eltern- zu Kitazeit oder von Mama- zu Papazeit) fällt vielen Kindern schwer. Manche Kinder weinen und klammern sich beim Übergang, der ja auch immer ein Abschied ist, an ihre (primäre) Bezugsperson.

Als Mutter weiss ich, wie schwer solche tränenreichen Übergänge nicht nur für das Kind, sondern auch für uns Eltern sind. Ein weinendes Kind zu verlassen kann ganz schön schmerzen, auch wenn wir wissen, dass es gut aufgehoben ist.

In diesem Artikel zeige ich drei Ideen auf, wie wir Eltern unseren Kindern einen Betreuungsübergang erleichtern können. Es ist mir wichtig vorab folgendes klarzustellen: Unsere Kinder dürfen weinen, wenn sie Trennungsschmerz empfinden und wenn ihnen Übergänge zu schaffen machen!

  1. Abschiedstränen bedeuten nicht, dass wir als Eltern etwas falsch gemacht haben!
    Im Gegenteil: Aus Sicht der Bindungstheorie ist es insbesondere gerade bei kleinen Kindern ganz normal und ein Zeichen einer sicheren Bindung, wenn sie bei Trennungssituationen weinen. Es ist kein schlechtes Zeichen, wenn kleine Kinder bei ihren Bindungspersonen sein wollen und sich auch getrauen, dies zu zeigen. Das heisst nun wiederum nicht, dass unsere Bindung zum Kind gestört ist, wenn das Kind nicht weint. Kinder bringen nun mal unterschiedliche Temperamente und Persönlichkeitseigenschaften mit und gehen mit schwierigen Situationen unterschiedlich um.

  2. Abschiedstränen bedeuten auch nicht, dass etwas mit unserem Kind nicht stimmt,
    dass es z.B. noch zu unselbständig oder zu schüchtern ist. Leider werden viele Eltern oft mit der Idee konfrontiert, dass es lobenswert ist, wenn ein Kind Trennungssituationen früh einfach wegsteckt. Dabei wird aber oft übersehen, dass manche Kinder auch einfach deswegen nicht weinen, weil sie resigniert haben («es nimmt mich ja sowieso niemand ernst») oder weil sie Angst vor einer negativen Reaktion auf ihr Weinen haben («Wenn ich weine, verliere ich die Liebe/Geduld/Zuneigung meiner Bezugsperson»). Solche Kinder kommen dann zwar vordergründig gut mit Trennungssituationen und Betreuungswechseln klar. Misst man jedoch die Werte des Stresshormons Cortisol, kann man feststellen, dass es ihnen innerlich nicht gut geht. Nur haben sie gelernt, es nicht zu zeigen.

Kinder haben also das Recht, bei einem Abschied bzw. bei einem Betreuungswechsel zu weinen, daran ist nichts verkehrt. Dennoch können wir versuchen, die Übergangssituationen für das Kind etwas einfacher zu gestalten. Keine der folgenden drei Ideen zielt jedoch darauf ab, das Weinen zu vermeiden oder abzuschalten. Der Fokus der Ideen liegt darauf, die Übergänge, Abschiede und Betreuungswechsel vorhersehbar zu machen.

Idee Nummer 1: Die Zeit bis zum Wechsel visualisieren

Betreuungswechsel fallen Kindern besonders schwer, wenn sie für sie völlig unvorhersehbar und plötzlich geschehen. Es ist grundsätzlich hilfreich, einen bevorstehenden Wechsel anzukünden. Spezielle Uhren (oder andere Hilfsmittel) können uns dabei dienen, die verbleibende Zeit bis zu einem Betreuungswechsel zu visualisieren.

Die Visualisierung der Zeit kann einem Kind helfen, sich auf einen Betreuungswechsel einzustellen. Das Kind hat so eine Orientierung und wird nicht plötzlich von einem Wechsel überrascht. Auch wenn das Kind eine Bezugsperson vermisst und diese in absehbarer Zeit nach Hause kommt, kann die Visualisierung helfen, das Warten auf die Bezugsperson einfacher zu machen.

Wir benutzen zuhause oft einen sogenannten TimeTimer. Auf dem TimeTimer können wir (wie bei einem normalen Timer) einstellen, wie viel Zeit bis zu einem bestimmten Event noch vergeht. Die verbleibende Dauer wird dabei farblich visualisiert: Entsprechend der ausgewählten Zeit wird eine grössere oder kleinere Fläche des Kreises farbig markiert. Mit fortschreitender Zeit wird diese Fläche kleiner, bis sie schliesslich verschwindet, wenn die eingestellte Zeit vorbei ist.

TimeTimer

Wir haben zuhause das Modell TimeTimer MOD >>. Ein sehr nützliches Feature davon ist, dass man durch einen Schieber einstellen kann, ob die Uhr am Ende des Zeitfensters einen Signalton von sich gibt oder nicht (dies ist keine bezahlte Werbung, nur eine persönliche Empfehlung). TimeTimer sind auch als App verfügbar.

TimeTimer können nicht nur bei Betreuungswechseln hilfreich sein, sondern insgesamt bei Übergängen (z.B. wenn wir in zehn Minuten von Zuhause loswollen) oder Wartzeiten (z.B. wenn wir fünfzehn Minuten Zeit zum Telefonieren brauchen).

Natürlich können wir die Zeit für unser Kind auch auf andere Weisen visualisieren, z.B. mit klassischen Sanduhren. Eine Idee zum Selberbasteln ist die folgende: Wir können die beiden Zeiger einer Uhr mit zwei unterschiedlichen Farben einfärben. Zusätzlich färben wir zwei Klammern mit den gleichen zwei Farben ein. Um einen bestimmten Zeitpunkt zu visualisieren können wir nun die Klammern an den Stellen an der Uhr anbringen, auf die die Zeiger zum bestimmten Zeitpunkt zeigen werden.

Uhr mit farbigen Zeigern

Idee Nummer 2: Eine Aktivitätenliste schreiben

Vor kurzem haben wir entschieden, dass unsere Tochter eine Nacht und einen Tag bei ihrer Oma «in die Ferien» geht. Sie kennt die Oma gut und hat eine gute Beziehung. Als wir unseren etwas längeren Abschied ankündeten, gab es dennoch einige Tränen. Völlig verständlich und in Ordnung. Wir haben diese Tränen mit verständnisvollen Worten («Du bist gerade traurig, dass wir gleich gehen, nicht wahr?») und vor allem mit ganz viel Nähe und Zuneigung begleitet. Nachdem die Tränen etwas versiegt waren, haben wir unserer Tochter vorgeschlagen, mit Oma eine Liste zu erstellen, mit allem, was sie in diesen kurzen Ferien gemeinsam tun könnten. Unsere Tochter hat sich sofort darauf eingelassen und ihrer Oma einige Ideen zum Aufschreiben diktiert (z.B. im Sandkasten spielen). Ihre Oma hat weitere Ideen vorgeschlagen, so dass eine ziemlich lange Liste entstand. Natürlich kann unsere Tochter noch nicht lesen, deswegen hat die Oma die Liste mit kleinen Zeichnungen ergänzt/visualisiert. Danach haben die beiden vereinbart, mit welchem Listenpunkt sie beginnen wollen, sobald wir Eltern weg sein würden. Beim Abschied gab es nochmals ein kleines Tränchen, doch noch während wir ins Auto stiegen, rannte meine Tochter zur Liste und wollte unbedingt mit all den tollen Aktivitäten beginnen, die darauf standen.

Aktivitätenliste

Wenn ein Betreuungswechsel bzw. ein Abschied bevorsteht, sind die schwierigen Gefühle in Bezug auf den Übergang und die Trennung für ein Kind manchmal überwältigend. Es wird davon so stark vereinnahmt, dass es nichts anderes mehr denken oder fühlen kann. Hier kann es helfen, den Blick des Kindes etwas zu weiten und auf die schönen Aktivitäten, die ihm nach dem Übergang bevorstehen, zu lenken. Entweder bevor das Kind von den schwierigen Gefühlen überrumpelt wird oder nachdem es sich wieder etwas beruhigen konnte.

Dazu können wir das Kind fragen, was es denn nach dem Betreuungswechsel gerne mit der neuen Betreuungsperson unternehmen möchte oder worauf es sich denn freue. Dann können wir das, was uns möglich erscheint, auf eine Liste schreiben (z.B. Seifenblasen machen, ein Buch anschauen, eine Banane essen, auf den Spielplatz gehen…). Natürlich können wir auch eigene Vorschläge einbringen. Die Liste können wir entweder vor unserem Abschied mit dem Kind erstellen und sie dann der neuen Betreuungsperson übergeben oder wir können unser Kind und die neue Betreuungsperson dazu ermuntern, gemeinsam eine Liste zu erstellen, während wir noch anwesend sind.

Es spielt keine Rolle, ob das Kind schon lesen kann oder noch nicht. Allenfalls können wir die Liste durch kleine Zeichnungen ergänzen, um sie für das Kind zu visualisieren.

Das gemeinsame Erstellen einer solchen Liste hat verschiedene Vorteile:

  • Das Kind kann Vorfreude auf die neue Betreuungssituation entwickeln, indem es seinen Fokus auf schöne Aktivitäten lenkt, die nach dem Übergang möglich sind.
  • Das Kind erlebt, dass seine Ideen ernst genommen werden. Es spielt keine Rolle, ob alle Listenpunkte abgehakt werden können. Allein das Aufschreiben davon, was alles möglich wäre, kann einem Kind helfen, sich gesehen zu fühlen.
  • Die Liste schafft eine Orientierung. Sie kann gut sichtbar für das Kind und für die Betreuungsperson aufgehängt und immer wieder konsultiert werden.

Manchmal erstellen wir auch vor einer Trennung eine Liste für die Zeit nach dem Widersehen. Wir fragen z.B. unsere Tochter am Morgen, was wir am Nachmittag nach der Kita noch gemeinsam unternehmen könnten und ob sie eine Liste erstellen wolle. Wenn wir dann unsere Tochter von der Kita abholen, bringen wir die Liste mit und schauen, worauf wir noch Lust haben.


Idee Nummer 3: Eine visualisierte Wochenübersicht erstellen

Eine Wochenübersicht der verschiedenen Betreuungssituationen kann einem Kind Orientierung und Struktur geben und ihm dadurch Übergänge erleichtern. Dazu kann man z.B. ein Whiteboard, eine Wandtafel oder eine Pinwand in sieben Spalten (für jeden Wochentag) und in drei Zeilen (Vormittag, Nachmittag, Abend) einteilen. In den einzelnen Feldern visualisiert man nun die Betreuungssituation. Dazu kann man z.B. Fotomagnete mit Fotos der verschiedenen Betreuungspersonen herstellen lassen. Man kann Fotos ausdrucken oder Kärtchen zeichnen.

Den aktuellen Wochentag kann man mit einer Klammer/mit Farbe/mit einem Magnet oder ähnlichem markieren.

Wochenplan

Zusätzlich kann man Magnete/Kärtchen mit wiederkehrenden Aktivitäten (z.B. Babyschwimmen, Krabbelgruppe, Einkaufen, Spielplatz usw.) erstellen und so auf auch gleich visualisieren, was auf dem Tagesprogramm steht.

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